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Das nervt.

Es ist 3:17 Uhr in der Nacht. Ich habe eine regelmäßige Erinnerung auf meinem iPhone, die mir sagt, dass ich gestern Abend um 23:00 Tabletten gegen meinen Hirntumor nehmen sollte. Aber ich zögere es raus. Denn ich weiß, dass ich schlafen werde, wenn ich sie genommen habe.

Ich werde lange schlafen. Und ich werde nach etwa 12 oder vielleicht auch 15 Stunden wieder aufwachen und völlig erschöpft sein. Ich werde auf Toilette müssen und pinkeln gehen. Wenn ich es anschließend schaffe, werde ich mir nacheinander zwei Espresso machen. Außer ich werde so kaputt sein, dass ich direkt nochmal ins Bett gehe. Vielleicht trinke ich auch die beiden Espressi und gehe trotzdem wieder ins Bett. Höchstwahrscheinlich werde ich Kopfschmerzen haben, weil die Tabletten wirken und etwas gegen meinen Tumor unternehmen. Ich weiß, dass es keinen Unterschied macht, wenn ich das Ganze heraus zögere. Der Tinnitus in meinem linken Ohr wird auch nicht besser, wenn ich weiter vor YouTube, Netflix, Prime Video oder Disney+ die Zeit verstreichen lasse. Irgendwann werde ich mich ohnehin nicht mehr wach halten können, aufgeben und die Tabletten einwerfen. 

Ich wünschte, ich hätte aber bis dahin wenigstens die Kraft etwas Produktives oder Kreatives zu machen. Aber alles was ich schaffe an Kraft aufzubringen, investiere ich in die besten Stunden jeder meiner aktuellen Wochen. Ich nehme jede Woche einen Podcast mit meinem Chef und Freund für eine wahnsinnig tolle Community aus LEGO Interessierten auf. Diese Stunden sind mein Kaffeeklatsch, mein wöchentlicher Stammtisch. Mein kleines Stückchen Regelmäßigkeit, Normalität und Besonderheit in einem. Wir unterhalten uns über Themen, die uns zum Großteil grundsätzlich Freude machen. Und unseren Hörer:innen auch. Aber wir tauschen uns auch über persönliche Dinge aus. Und wenn die Mikrofone nicht aufgenommen werden gelegentlich auch über ganz private Themen, wenn es die Zeit und meine Konstitution zulassen. 

Und anschließend bin ich meistens voller Adrenalin und Euphorie, dann warte ich auf die Veröffentlichung und teile meistens die Folge auf meinem Hauptaccount auf Instagram. Dann kommen oft schon erste Reaktionen oder auch schon ein paar Kommentare von ganz Ungeduldigen. Manchmal bin ich aber auch körperlich und geistig zu erschöpft von der Aufnahme. Dann schlafe ich direkt im Anschluss auf dem Sofa ein. Oder ich gehe früh ins Bett. Und dann schaue ich am nächsten Tag die Reaktionen zur Folge in den Kommentaren an. Ab und zu brauche ich ein paar Anläufe, bis ich selbst auf die Kommentare reagiere, manchmal sprudeln Antworten auch einfach so aus mir raus. Diese Interaktionen vollenden die Anstrengungen, die mir die Aufnahme teilweise bereiten. Es ist einfach ein tolles Gefühl, dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich auf und über etwas freuen an dem ich beteiligt bin. Es gibt aktuell nichts, was mir momentan mehr Kraft und Freude bereitet.

Abgesehen davon besteht meine Welt vorrangig aus zwei Katzen, die relativ wenig Zeit zum Kuscheln haben, dafür aber um so mehr nach Futter betteln, durch die Wohnung jagen und vorrangig schlafen. Noch mehr als ich, was zumindest für mich unglaublich ist. Abgesehen davon poste ich ab und zu etwas auf Instagram. Und ich versuche Gitarre zu lernen. Manchmal übe ich teilweise sogar mehrmals am Tag. Meine Fortschritte fühlen sich allerdings durchaus gelegentlich auch wie Stillstand an. Aber ich bleibe am Ball. Und das an sich macht wirklich Spaß. Auch wenn ich gerne viel weiter wäre.

Aber ich würde so gern noch etwas anderes machen. Etwas Produktives. Etwas Kreatives. Etwas Sinnvolles. Am liebsten würde ich gerne meinen YouTube-Kanal mit Content füllen. Aber meistens möchte ich nicht vor die Kamera. Einfach weil ich mich wirklich nicht gut fühle. Und um stattdessen anderes Ansehnliches Material zu filmen, fehlt mir die Kraft. Zusätzlich würde ich das dann gerne auch ansprechend bearbeiten. Wofür mir natürlich auch die Kraft fehlt. Ich könnte mit relativ einfachen Mitteln auch meinen eigenen Podcast fortführen. Ich habe es extra mal alles so eingerichtet, dass ich das sogar alles mit meinem Smartphone machen könnte. Aber mir liegen diese Monologe nicht wirklich. Oder ich würde auch gerne nur etwas einfaches machen. Wie Kochen. Oder Aufräumen. Oder sonst etwas im hilfreiches Haushalt. Aber auch dafür habe ich leider keine Kraftreserven. 

Also sitze ich mit meinem Tumor im Kopf, dem Tinnitus im Ohr, Wasser in den Beinen, mit meinen Behinderungen und Depressionen morgens nach 4:00 Uhr auf meinem Sofa und drücke mich davor meine besonders starke Dosis Tabletten zu nehmen, die mir hoffentlich in ein paar Monaten bei der nächsten Blutabnahme bessere Werte bescheren, mich aber heute mindestens einen halben Tag komplett ausknocken. Das nervt. 

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Muschelfisch

    Denk immer daran. Du bist nicht alleine.☝Auch wenn natürlich nicht jeder direkt an deinem Leben beteiligt ist, sind viele von uns mindestens im Geiste dabei. Kopf hoch und weiter. Es kommen bessere Tage. Davon bin ich überzeugt.
    Beste Grüße
    Fabian

  2. Marie

    Fühl dich gedrückt, bin für dich da, so gut ich kann

  3. Björn Sönnecken

    Ich drücke dir die Daumen, dass die Blutwerte und deine körperliche Verfassung sich möglichst schnell bessern.
    Mach dir keinen Stress!
    Wir wissen alle wie es dir geht und wissen es sehr zu schätzen, daß Du deine körperlichen Reserven für den wundervollen Podcast aufofferst.
    Dennoch nimmt es Dir keiner Übel wenn Du mal nicht kannst, oder mal nicht schnell antwortest.
    Achte in erster Stelle auf Dich!!!
    Wir stehen alle aus der COMMUNITY hinter dir!

    Sei gedrückt

    Björn Sönnecken aka bjoern_s76

  4. Flo

    Hallo Ryk, ich drücke die Daumen das es dir bald besser gehen wird und wünsche dir viel Kraft. Toll das du deinen Humor behältst, auch wenn das sicher nicht immer einfach ist. Der Lego-Podcast von Lukas und dir ist fester Bestandteil meines Lego-Hobbies und macht großen Spaß. Pass auf dich auf und viel dich gedrückt.

    1. Ryk Thiem

      Danke dir für die lieben Worte und die Unterstützung.

  5. Ismet Kumas

    Hallo mein Freund ,ich bin auch aus ganzem Herzen bei dir ,ich bin froh das ich dich wieder gefunden habe und hoffe das es dir wieder besser geht . Ich hoffe wir sehen uns nach sovielen jahren wieder .Viele viel Grüsse ,mein bester

  6. Tobi

    Hi Ryk, ich habe wirklich sehr viel Respekt vor dir. Obwohl dein momentaner Alltag sehr schwierig ist, bist du im Podcast immer so positiv und froh. Ich lasse mich oft und gerne durch deine freundliche Art anstecken.

    PS: bitte bitte sing nicht soviel im Podcast 🙂

    1. Ryk Thiem

      Ich wünschte, ich bekäme das mit dem Singen irgendwie in den Griff. Aber das passiert immer viel schneller als ich das in den Griff bekomme.

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