You are currently viewing How not to (N)Espresso: Vom Genuss zum Frust

How not to (N)Espresso: Vom Genuss zum Frust

Packung öffnen, Kapsel entnehmen, in die Maschine legen und schon kann man mit dem Ristretto, Espresso oder Lungo starten. Wer einen Cappuccino oder Latte Macchiato bevorzugt, hat mit entsprechendem Zubehör auch diesen Wunsch im Handumdrehen erledigt. Für mich waren die Kapseln lange Zeit ein unverzichtbares Guilty Pleasure. Aber erst kam das schlechte Gewissen, dann die Reue und nun folgt die Buße. Warum das so ist, erfährst du, wenn du weiterliest. 

In der heutigen Zeit sind Themen wie Nachhaltigkeit, Klima-, Umwelt- und Naturschutz und Ökologie allgegenwärtig. Und wir  brauchen auch nicht darüber streiten, dass es auch noch andere wichtige Probleme auf der Welt gibt, aber meine Auslöser für diese Geschichte sind gerade diese Themen. Vielleicht schwappt auch noch eine kleine Prise eines aufkeimenden Minimalismus dazu. 

Kaffee ist Nostalgie 

Ich weiß nicht genau, wann ich begann Kaffee zu lieben. Aber der Geruch von Kaffee am Morgen, zusammen mit dem Duft frischer Brötchen an einem sonnigen Sonntag verschafft mir seit Kindertagen ein absolutes Wohlbefinden. 

Solange ich mich erinnern kann, gab es bei meiner Mutter immer nur Melitta Filter-Aufsätze und Kaffee kam in der Regel von Eduscho oder Tchibo. Ich habe bis heute keine Ahnung, nach welchen Kriterien der Kaffee gemahlen oder als ganze Bohne gekauft wurde. Kaffee wurde jedenfalls je nach Bedarf direkt in die Tasse oder in die Kaffeekanne gemacht. Die benötige Menge Kaffee wurde mit einem Löffel abgemessen und heißes Wasser drüber gegossen. Ganz ohne Waagen, Messbecher, Thermometer oder andere Hilfsmittel, anders als heute bei vielen Kaffeeliebhabern. 

Am Anfang war die Plörre

Als ich meinen eigenen Kaffeekonsum startete, hing das viel mehr der belebenden Wirkung und nicht mit dem leckeren Geschmack des Aufgusses zusammen. Ich habe nicht nur als Jugendlicher sehr lange noch meinen Zucker mit etwas Kaffee und viel Milch getrunken, sondern auch viele Jahre lang. Das Ganze auch in rauen Mengen. 

Kaffee war auch keine Mittel zum Genuss, es war bräunliche Plörre zum wach werden und bleiben. Hauptsache der Koffeingehalt war hoch genug um mich aufzuputschen. Mir war auch egal, welche Temperatur die Brühe hatte. Bei meiner Süßung war es ohnehin eher ein Energydrink als ein schmackhaftes Aufgussgetränk. Wer meinen Namen falsch auf einen Pappbecher mit dem Triple Shot White Chocolate Mocha Venti von Starbucks kritzeln konnte, der war für mich schon ein waschechter Barista. 

Durch Nespresso auf den Geschmack gekommen 

Eines Tages bekam ich die Nespresso-Maschine Krups Nespresso Essenza XN 2003 zu einem Spottpreis angeboten, weil der Besitzer dank seines Vollautomaten nichts mit seinem Tombola-Gewinn anfangen konnte. Zu dieser Zeit gab es noch längst keine 28 Nespresso Boutiquen in Deutschland wie heute. Aber man konnte natürlich telefonisch oder übers Netz die üblichen Stangen der Kapseln mit einer Mindestabnahme von 50 Stück bestellen. Und man bekam als Kunde eine Karte mit seiner ersten Bestellung, mit der man auch auf ein Espressogetränk in die Boutiquen eingeladen wurde. Ich kann es nicht anders sagen, aber dem Nespresso-Kunden wird schon ein besonderes Flair suggeriert. Bei meinem ersten Besuch in einer Nespresso-Boutique fühlte ich mich schon gebauchpinselt und es war sehr angenehm. 

So sehr echte Kaffeeliebhaber oder Home-Barista das vermutlich schmerzen wird, aber erst durch meine Erfahrung mit Nespresso, den verschiedenen Kapseln sowie den bereitgestellten Informationen habe ich selbst erst richtig Geschmack an Kaffee und Espresso gefunden. Ich habe mich dadurch erst dafür interessiert, was die unterschiedlichen Getränke ausmacht oder was bestimmte Begriffe überhaupt bedeuten. Espresso wurde zu einem Lieblingsgetränke.

Never change a running system 

Meine erste Maschine hatte im Laufe der Zeit mal einen neuen Wassertank bekommen und war auch einmal zur Reparatur. Aber sonst hat sie mich nie im Stich gelassen. Nachdem diese Nespresso-Maschine nach weit über 10 Jahren beinahe täglicher Nutzung endgültig kaputt gegangen war, wusste ich erstmal nicht auf Anhieb, wie ich diese ersetzen soll.

Praktischerweise wurde mir von lieben Menschen vorübergehend eine andere Kaffeemaschine geliehen. Dabei handelte es sich um eine Pad-Maschine. Und geschmacklich musste ich die Leihgabe recht bald als lieb gemeinte Geste abtun und wieder zurück geben. Dadurch war relativ schnell für mich klar, dass ich bei der Kaffeezubereitung wohl einem Merksatz treu bleiben soll: Never change a running system. 

Geisel der Großkonzerne 

Also wurde es wieder eine Nespresso Maschine. Diesmal die Krups Nespresso Umilk XN 2601 inklusive dem integrierten Milchaufschäumer Aeroccino 3. Und ich kann es nicht anders sagen, aber ich war wieder absolut glücklich mit der Zubereitung meines liebsten Lebenselixiers. Auch wenn ich mich ausschweifend durch das in all den Jahren angewachsene Konkurrenzangebot von zahlreichen Anbietern kompatibler Kapseln ausschweifend durchprobiert habe und nicht alles wirklich meinen mittlerweile entwickelten Geschmack treffen konnte. 

Ich habe in den Jahren meines schnellen Konsums Kapseln von unglaublich vielen verschiedenen Herstellern probiert. Mit Fairtrade- und Bio-Kaffee, aus unterschiedlichen Ländern, aus vielerlei Bohnen und Blends, in Kapseln aus Alu, Kunststoff oder kompostierbaren Materialien. Von der mittlerweile insolventen Ethical Coffee Company hatte ich schon vor Jahren den ersten Espresso aus kompostierbaren Kapseln probiert, die günstigsten Alternativen vom Discounter oder Varianten von den größten Kaffeeröstereien. Ich habe wirklich viel testet. Und ich muss ehrlicherweise zugeben, dass mir neben verschiedenen Sorten von Dallmayr vor allem Starbucks und Nespresso am besten geschmeckt hat. 

Ein Blick über den Kapselrand

Erschwerend kam dazu, dass ich egal in wie vielen Cafés, Bistros oder Restaurants ich in all den Jahren einen Espresso bestellt habe, ich geschätzt maximal nur ein Dutzend Espressi serviert bekommen habe, die für mich mindestens so lecker wie bei mir zu Hause aus meiner Nespresso-Maschine waren. Erschreckend dabei ist zu erwähnen, dass ich die schlechtesten Espressi ausgerechnet in italienischen Restaurants probiert habe. Was mich irritierte, weil ich Italien immer für eins der Länder mit besonders ausgeprägter Kaffeekultur gehalten habe. Lediglich ein italienisches Kaffeebistro in München, konnte diesen Glauben bei mir aufrechterhalten. 

Auch wenn ich immer wieder in verschiedenen Medien mitbekommen habe, dass unter den Kaffeeliebhabern wohl eine Ablehnung der vielen Kapsel- oder Padmaschinen sehr verbreitet ist, konnte ich mir nicht wirklich erklären, woran das wohl lag. Außerdem mochten die Kaffee-Gourmets anscheinend keine Café-Ketten. Dabei versprachen doch die vielen Coffee-Companies und die Verbreitung der zahllosen Pappbecher für Coffee-to-go in Filmen und Serien, auf sozialen Netzwerken und auf den Straßen ein besonderes Statussymbol zu sein. Der coole und moderne Mensch ist immer aktiv und hellwach, am liebsten mit einem heißen Kaffeegetränk. Mir fiel es leichter bei zubereiteten Kaffeeprodukten eher ein Gourmand denn ein Gourmet zu sein. 

Konsum zum Glücklichsein

Die vergangenen Jahre haben wahrscheinlich viele Menschen über die unterschiedlichsten Dinge in ihren Leben nachdenken lassen. Ich selbst habe in den letzten Jahren vor allem über meinen Konsumverhalten nachgedacht. Ich kenne nur allzu gut diesen Endorphin-Ausstoß beim Shoppen. Ich wollte alles. Ich wollte das Beste. Ich wollte das Neuste. Aber ich habe oft nicht gewusst, warum ich etwas gekauft habe. Oder wofür. 

Meine Euphorie für Gadgets oder Gear ist oft eher mit einem Streichholz als mit einer Kerze im Dunkeln vergleichbar. Das Streichholz flammt schnell und heiß auf, brennt einen kurzen Moment und dann verbrennt sich auch noch die Finger, wenn man es nicht schnell genug wieder ausmacht. Aber jedes Mal ist ein neues Aufflammen ein kleines bisschen aufregend. Ein Kerze erhellt einmal entzündet lange die Dunkelheit, aber man gewöhnt sich schnell an das Licht und hält es für selbstverständlich. 

Espresso-Veränderungen 

Nur wenige Dinge haben mir so lange Freude bereitet, waren so selten defekt und wurden täglich genutzt wie meine beiden Nespresso-Maschinen bisher. Deswegen habe ich sie genutzt und sie mir als Guilty Pleasure zugestanden. Aber ich habe mich in den letzten Jahren verändert.

Ich beschäftige mich immer öfter mit Nachhaltigkeit und was ich zum Umweltschutz beitragen kann. Über das Thema habe ich auch begonnen Informationen zu Minimalismus aufzufangen. Dadurch hinterfrage ich immer wieder gewisse Bereiche in meinem Alltag. Gerade im Kampf mit meiner Depression ist es ganz schön sich zu fragen, ob mich etwas glücklich macht und ob ich etwas wirklich brauche.

Espresso oder Lungo macht mich wirklich sehr glücklich. Vom Geruch über den Geschmack bis hin zur Wirkung. Auch die schnelle Verfügbarkeit erfreut mich. Das ändert auch die eigentlich schlechte Klimabilanz von Kaffee nicht. Aber ich kann zu Biokaffee mit Labels für Nachhaltigkeit greifen. Aber der negative Einfluss von Kapseln egal aus welchem Material, ist laut der Deutschen Umwelthilfe immens und empfiehlt wiederverwendbare Kapseln. Weder ökonomisch noch ökologisch kann ich mir den Kauf von Kapseln noch schön reden. 

Am Streichholz verbrannt

Nachdem ich mich in den letzten Wochen immer mehr mit dem Thema auseinandergesetzt habe, habe ich mich entschieden auf eine wiederverwendbare Kapsel umzusteigen. Ich habe verschiedene Quellen durchforstet und versucht die möglichst umweltfreundlichste Alternative für mich zu finden. Letztendlich habe ich mich für die mycoffeestar GAMMA Kapsel aus Edelstahl entschieden. Dazu habe ich mir Bio-Espressobohnen besorgt und eine Kaffeemühle brauchte ich auch noch. Und auch wenn in den meisten Fällen von Baristas anscheinend für Espresso aus unterschiedlichen Gründen elektrische Mühlen bevorzugt werden, habe ich mir eine Handmühle dafür gesucht. 

Dann musste ich mehrere Tage experimentieren, wie ich meinen Wunschespresso reproduzierbar hinbekommen kann. Ich habe versucht die richtige Kaffeemenge herauszufinden, den passenden Mahlgrad zu ermitteln, dann die Brühzeit vernünftig einzurichten, die ich bei meiner Maschine glücklicherweise anpassen kann. Mittlerweile ist mein Espresso wirklich sehr gut, aber noch weit weg von perfekt. 

Aber jede Kapsel kostet wirklich Zeit mit Mahlen, Füllen, Messen und Reinigen. So wird jeder Espresso eine Art rituelle Zeremonie. Das kann wirklich schön sein, weil der Vorgang echt weit entfernt vom üblichen schnellen Shot der Kapselmaschine ist. Aber dieses Ritual ist in manchen Situationen wirklich unfassbar störend. Wenn ich es eilig habe oder es mir gesundheitlich nicht gut geht, dann bin ich einfach nicht bereit für so eine langwierige Situation. 

Da es aber absolut nicht nachhaltig wäre die einwandfrei funktionierende Maschine zu entsorgen oder jemandem zu verkaufen, der sich dann selber Kapseln machen würde, muss ich mich wohl oder übel daran gewöhnen, dass mein Espresso jetzt sehr viel länger dauert und viel mehr Arbeit macht. Aber wenn die Maschine eines Tages kaputt geht, werde ich definitiv erstmal eine andere Kaffeezubereitung ausprobieren. 

Hast du schon mal einen Nespresso probiert? Besitzt du selber eine Kapsel-Maschine? Oder brühst du dir einfach einen Filterkaffee? Bist du vielleicht ein echter Kaffee-Nerd oder sogar Barista? Wie wichtig ist dir die Nachhaltigkeit deines Kaffeekonsums?

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. S. Becker

    Ich trinke sehr gerne Kaffee, und habe auch schon einiges ausprobiert, über Kapselmaschine (Tchibo), normale Kaffeemaschine, und von Hand aufbrühen. Die Kapselvariante konnte mich geschmacklich nicht wirklich überzeugen, und nachdem meine letzte Kaffeemaschine (Krups) das zeitliche gesegnet hat, bin ich wieder beim Aufbrühen von Hand gelandet – und da mir mein Kaffee so am besten schmeckt, werde ich jetzt auch dabei bleiben!

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.